Von einem, der auszog, die Welt zu entdecken
BE: Wie hat deine Lust auf ferne Ziele begonnen?
Mitsch: 1985 habe ich einen Fernsehbericht über die USA gesehen wie rolligerecht das Land bereits zu diesem Zeitpunkt war. Am nächsten Tag bin ich ins Reisebüro und habe mir ein Ticket gekauft. Neun Monate später bin ich wieder zurückgekommen. Ich bin einfach aufs Geratewohl los, wusste nicht genau, wohin. An der Uni von San Francisco, Berkley, habe ich einen Aushang gemacht: „Rollstuhlfahrer sucht Mitbewohner“. So habe ich den American Way of Life kennengelernt.
BE: Wie hat sich dein Interesse am Reisen entwickelt?
Mitsch: Ein Jahr nach meinem Unfall war ich zum ersten Mal wieder unterwegs – auf Campingreise mit Freunden. Wenn so etwas gut klappt, will man im nächsten Schritt immer ein bisschen mehr. Nach der USA-Reise bin ich z.B. nach Brasilien und so hat sich das immer weiter gesteigert.
BE: Was war dein weitestes Reiseziel?
Mitsch: Mein weitestes Reiseziel war Neuseeland. Aber das exotischste Reiseziel war Bhutan.
BE: Wie bist du auf Bhutan gekommen?
Mitsch: Vor einigen Jahren war in meinem Heimatort die Feldbogenschützen-WM. Ich hatte mich mit Teilnehmern aus Bhutan angefreundet und wurde dorthin eingeladen. Das habe ich natürlich gemeinsam mit Freunden gemacht. Bhutan ist überhaupt nicht barrierefrei, ich bin öfter getragen worden als ich im Rollstuhl war. Es war trotzdem ein unglaublich tolles Erlebnis.
BE: Bhutan ist nicht das einzige exotische Reiseziel. Wie bereitest du dich auf Reiseziele vor, bei denen du vermutest, es könnte schwierig werden mit der Barrierefreiheit?
Mitsch: Hilfsmittel wie Katheter schicke ich in großer Zahl vor, wenn ich lange unterwegs bin. Auf vieles wie z.B. gesundheitliche Probleme oder einen Achsenbruch kann man sich gar nicht vorbereiten, sondern muss flexibel vor Ort reagieren. Wenn mal ein Hindernis wie eine Treppe kommt, bietet sich meist ganz schnell Hilfe an. Gerade in Ländern wie den Philippinen oder Indien spielt sich das Leben auf der Straße ab und die Menschen sind sehr hilfsbereit. Mit der richtigen Einstellung gehen dann auch Ziele wie Myanmar.
BE: Wann bist du mal an deine Grenzen gestoßen?
Mitsch: Es ist eigentlich eher eine Frage des Alters, als der Grenzen. Früher wollte ich einfach nur Abenteuer erleben. So was wie drei Wochen lang alleine mit öffentlichen Bussen durch Simbabwe. Oder drei Tage mit dem Boot durch den Amazonas. Mittlerweile bin ich für solche Abenteuer zu bequem.
BE: Du bist nicht nur für Urlaube unterwegs, sondern auf den Philippinen auch in besonderer Mission. Worum geht es dabei?
Mitsch: Vor 15 Jahren war ich auf meiner Reise zufällig in Manila. Für eine Freundin habe ich mir eine Berufsschule angeschaut, die sie schon seit Jahren finanziell unterstützt hat. Der Pater vor Ort hat mich mit offenen Armen empfangen. Hat mir die Missstände gezeigt – z.B. die Smokey Mountains, die Mülldeponie, die raucht und glimmt. Wenn man davor steht bei dem beißenden Geruch und die vielen Kinder sieht, die dort vor sich hin vegetieren und teilweise Verdorbenes essen, dann weiß man – da kann, da muss man etwas tun. Seither bin ich jedes Jahr für Monate vor Ort in der Foundation in Manila.
BE: Das ist nicht der einzige Spezialauftrag. Du bist auch manchmal in sportlicher Mission unterwegs, oder?
Mitsch: Ich habe in Deutschland 16 Jahre lang in einer deutschen Liga Rollstuhlbasketball gespielt. Als ich zum ersten Mal auf die Philippinen kam, wollte ich mich sportlich betätigen und bin in ein Rehazentrum. Zufällig hat die Philippinische Rollstuhl Basketball Nationalmannschaft gerade in dem Zentrum für die Para Asienspiele trainiert. Ich habe ein paar Mal mitgespielt und ruck zuck war ich der Betreuer der Nationalmannschaft. Wir haben bei den Spielen die Silbermedaille gewonnen. Ein paar Jahre später hat mich der thailändische Sportverband gefragt, ob ich für ein anderes Turnier deren Nationaltrainer werden will. So haben wir 2009 in Malaysia die Goldmedaille gewonnen. Das hat mich natürlich ganz schön stolz gemacht.
BE: Was würdest du den Lesern gerne mitgeben?
Mitsch: Überlegt nicht lange, was für Probleme es geben könnte. Einfach mal was wagen und losziehen! Es wird meist viel besser, als ihr es euch vorstellen könnt.
Über die Person
Seit einem Autounfall vor 38 Jahren ist der Südwestpfälzer Michael (Mitsch) Schreiner im Rollstuhl mit kompletter Querschnittslähmung unterhalb Th 5-6.