Jambo Kenia! Ein Reisebericht von Axel Mössinger und Zuhal Mössinger-Soyhan
Als Redakteurin für ein TV-Reisemagazin sprach Zuhal mit Steffen Köbler über Afrika und sein Haus in Kenia, das er vor vielen Jahren für seinen Bruder barrierefrei umbauen ließ. Er erzählte von der Schönheit des Landes, den wunderbaren Menschen und den Tieren Kenias. Das Haus am Diani Beach vermietet er an Menschen, die sich für Kenia interessieren, egal ob mit oder ohne Behinderung. Eine deutschsprachige Verwalterin kümmert sich vor Ort um alle Belange und organisiert auch Safaris für Menschen im Rollstuhl. Traumhaus, Traumstrände, wilde Tiere? Davon wollten wir uns selbst überzeugen, packten unsere Koffer und flogen nach Mombasa.
7 Uhr: Ankunft in Mombasa. Wir werden schon erwartet. Dass Zuhal nicht laufen kann, wird den netten Helfern erst ganz allmählich klar. Eiligst holen sie einen etwas durchgesessenen Bordrollstuhl. Draußen dann ein klappriger Rollstuhl mit platten Reifen. Egal, Hauptsache der eigene wird auf dem Gepäckband ankommen. Die Sorge, der Rollstuhl könnte vergessen worden sein, kann man als Rollstuhlfahrer wohl nie ganz abstreifen. Was wäre eigentlich, wenn… ach, besser nicht daran denken!
Am Ausgang erwartet uns ein Fahrer, der uns in seinem Minibus zu unserer Villa fährt. Auch hier werden wir schon erwartet und freundlich begrüßt. Erfahrungen mit behinderten Gästen scheint man hier zu haben, alles läuft wie am Schnürchen. Drei Tage später wollen wir auf unsere Safari aufbrechen. Keine Ahnung, was uns erwartet. Aber wir sind freudig aufgeregt!
Fünf Uhr morgens – es geht zur Safari! Ein großer, sympathischer Mann begrüßt uns mit einem strahlenden Lächeln und stellt sich als Papst vor – aha, ein Witzbold. Das kann ja heiter werden, denken wir. Aber wir sind uns von Anfang an sympathisch – nicht unwichtig, denn die nächsten vier Tage werden wir miteinander verbringen. Während Axel einen Thron aus vielen Kissen für Zuhal baut, damit ihr auf dem Beifahrersitz wirklich nichts entgehen kann, verstaut ‚Papst’ Benedict unsere Sachen. Wir staunen nicht schlecht, als wir im Fahrzeug einen Duschrollstuhl entdecken, den unsere Reiseveranstalterin extra mitgeschickt hat. Wir würden ihn brauchen. 400 km Landstraße liegen vor uns. Benedict ist ein routinierter Fahrer, wir fühlen uns sicher. Drei Stunden später steuern wir eine Raststätte an. Hoffnung auf eine barrierefrei Toilette haben wir nicht, und so ist es dann auch. Wir müssen improvisieren – aber erst müssen wir putzen. Das Desinfektionsmittel gehört auf Reisen zur Grundausstattung, ohne geht nichts.
Benedict möchte uns ein Massai-Dorf zeigen. Die Menschen sind freundlich, vollführen einen Begrüßungstanz und zeigen uns eine ihrer Hütten. Erst viel zu spät bemerken wir, dass wir hier vor allem zum Einkaufen animiert werden sollen. Etwas unangenehm, denn wir bezahlen überteuerte Preise für Dinge, die wir eigentlich nicht brauchen. Unser Fahrer ist nicht zu sehen. Vermutlich verdient auch er eine Kleinigkeit an unserem Einkauf. Es sei ihm gegönnt.
Gegen Mittag erreichen wir Tsavo Ost, einen von drei Nationalparks auf unserer Safari. Aufgeregt greifen wir nach unseren Kameras und erwarten jede Sekunde wilde Tiere. Doch nichts! Weit und breit keine Elefanten, keine Zebras, keine Giraffen, und von Löwen erst recht keine Spur. Eine Stunde lang fahren wir lauernd auf feuerroter Erde, bis wir unsere erste Lodge erreichen. Bei der Abendpirsch dann, in einer Flussniederung: Elefanten, soweit das Auge reicht. Ihre treuen Begleiter, die weißen Reiher, sind auf Kleintiere scharf, die von den Elefanten aufgeschreckt werden. In den folgenden Tagen sehen wir so viele Elefanten, Zebras, Gazellen, Giraffen und Büffel, dass wir uns an ihren Anblick fast schon gewöhnen. Nur Raubtiere haben sich bisher noch nicht gezeigt. Was bitte ist das für eine Safari ohne Raubtiere? Benedict erklärt, dass Geparden, Leoparden und Löwen besonders scheue Tiere sind. Sie zu sehen ist ein Riesen-Glücksfall. Sollte das gar bedeuten, die Safari könnte ohne Löwen enden? Immerhin werden die Lodges von Abend zu Abend schöner und luxuriöser. Zu unserer Überraschung sind sie relativ barrierefrei. Da, wo Stufen den Rolli ausbremsen, werden eiligst Holzrampen gelegt. Die Menschen sind unglaublich hilfsbereit, packen sofort mit an. Dass ihre übereifrige Hilfe auch gefährlich sein kann, ist ihnen nicht bewusst. Wie auch? Wie sollen sie denn wissen, dass man eine sehr, sehr steile Rampe mit dem Rollstuhl besser nicht vorwärts runterfährt.
Besonders beeindruckt uns die Severin Lodge. Diese Lodge ist nicht wie die anderen durch Elektrozäune gesichert, sondern nur von Massai bewacht. Auf dem Gelände stehen höchst komfortable Zelte, und der Duschrolli ist hier ein echter Segen. Die Veranda verlässt man am besten nur in Begleitung eines Massai. Schließlich weiß man nicht, ob irgendwo ein gefährliches Tier lauert. Als gegen 21 Uhr der Strom abgeschaltet wird, sitzen wir mit unserer Laterne auf unserer Veranda, blicken in die Dunkelheit und stellen uns all die vielen wilden Tiere vor, die sich irgendwo versteckt halten.
Für den Notfall liegt eine Trillerpfeife am Bett, mit der man bei Bedarf Hilfe holen kann. Dass unser Bett inmitten der Wildnis steht, getrennt nur durch eine Millimeter dünne Zeltwand, stört uns nicht. Wir vertrauen auf das Wachpersonal. Die Massai wissen sicher, was zu tun ist, falls irgendein Tier Appetit auf uns bekommen sollte. Dass Löwen bedrohlich nah an die Zelte kommen und einige Elefanten nachts den Garten verwüsten, verschlafen wir gänzlich. Erst am Morgen sehen wir die Schäden und erfahren von Benedict, dass Löwen um unser Zelt schlichen, aber man habe sie erfolgreich verjagt. Ein Glück! Oder war es nur eine kleine Geschichte, um unsere Safari möglichst spannend zu halten? Wie auch immer: wir fühlen uns wohl, sind neugierig und freuen uns jedes Mal, wenn Benedict den Motor anlässt, um den Spuren der Tiere zu folgen – egal, wie heiß es auch sein mag.
Von den Raubtieren haben wir uns bereits verabschiedet, als am letzten Abend plötzlich ein Funkspruch kommt. Ein Fahrer hat an einem Wasserloch Löwen entdeckt. Unser sonst so sanfter Chauffeur Benedict gibt Gas, und wir jagen über Waschbrettpisten und unwegsames Gelände, um noch rechtzeitig anzukommen, ehe sich die Löwen in die Büsche zurückziehen. Satt und zufrieden liegen sie in der Abendsonne und verdauen ihr Mahl. Sie wirken wie harmlose Kuscheltiere, und man wäre fast geneigt, aus dem Wagen zu steigen, um sie zu knuddeln. Zu schön ist der Anblick der Löwen, wir können unseren Blick nicht von diesen prächtigen Tieren lassen.
Nach vier Tagen und zig Fotos kehren wir zurück an den Indischen Ozean in unsere Traum-Villa Kusini. Obwohl ein Ferienhaus, müssen wir weder in die Küche stehen noch den Pool sauber halten. Darum kümmern sich Köchin und Gärtner. Unsere einzige Aufgabe ist zu entscheiden, was wir essen wollen – selbst der Einkauf wird für uns erledigt.
Den Strand erreichen wir am besten durch eine Hotelanlage hindurch, hieß es. Dass der Weg zur Hotelanlage aber sehr steinig ist, wissen wir nicht. Nur mit allergrößtem Kraftaufwand schafft es Axel, Zuhal über den Schotterweg zu schieben. Zwischendurch eilen uns Menschen zur Hilfe. Die Mühe hatte sich gelohnt, denn plötzlich blicken wir auf einen unglaublich schönen, weißen und fast menschenleeren Strand. Das Strandmobil steht schon bereit, und Axel hievt Zuhal auf das Mobil und zieht sie anschließend durch den schneeweißen Sand bis ans Wasser.
In den nächsten Tagen besuchen wir in Mombasa die Werkstätte Bombolulu, in der behinderte Menschen von originellen Schmuckstücken bis hin zum Handbike alles herstellen. Wir wüssten zu gerne, was sie sich denken, als wir uns ihre schönen Arbeiten zeigen lassen. Meinen Rollstuhl sehen sie sich ganz genau an. Im Vergleich zu ihren ist meiner derartig luxuriös, dass ich fast ein schlechtes Gewissen bekomme: Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich das große Glück habe – zufällig und ohne jede Eigenleistung – in einem so reichen Land wie Deutschland leben zu dürfen, in dem es Menschen besser haben als hier in Kenia. Dass die jungen Menschen vom Erlös der Waren ihren Lebensunterhalt bestreiten, unterstützen wir, indem wir uns im Laden tüchtig mit Kunsthandwerk eindecken. Wären wir gleich am Anfang dort gewesen, hätten wir bei den Beach Boys, den Massai und in den Andenkenläden sicher günstigere Preise ausgehandelt!
Auf dem Rückflug fliegen wir über den Kilimandscharo, die großartige Kulisse für die Elefanten und Zebras. Da unten waren wir!
Klar – ein Pauschalurlaub ist billiger. Aber wir haben die wilden Tiere Afrikas gesehen, die wir bisher nur aus Tierfilmen und dem Zoo kannten.
Über die Autoren
Zuhal und ihr Mann Axel teilen die Leidenschaft fürs Reisen. Während Axel dabei nichts unfotografiert lässt, versteht sich Zuhal auf Texte: seit über 20 Jahren ist sie Journalistin beim Bayerischen Fernsehen, außerdem moderierte sie u. a. TV-Sendungen zum Thema Reisen. Sie lebt mit der Glasknochenkrankheit und benutzt einen Rollstuhl.
Zuhal ist Autorin des Buchs „Ungebrochen - Mein abenteuerliches Leben mit der Glasknochenkrankheit“.