Barrierefreie Kulturentdeckungen im Herbst 2024

Historische Burgen, Schlösser und Klöster entführen in ferne und bewegte Zeiten. Mehrere Millionen Besucher aus aller Welt entdecken Jahr für Jahr das reiche architektonische Erbe Deutschlands. Dabei laufen sie über holpriges Pflaster, steigen enge Wendeltreppen hinauf und öffnen schwere Holztüren mit viel zu hohen Türgriffen. Die Frage liegt nahe: Wie geeignet sind diese Orte für Menschen mit Behinderungen oder mit Kinderwagen?

Nicht immer lassen sich Barrierefreiheit und Denkmalschutz unter einen Hut bringen. Doch manchmal sind auch jahrhundertealte Stätten für alle Besucher problemlos erlebbar. Die Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen, die sich für barrierefreien Tourismus in Deutschland einsetzt, stellt einige faszinierende und überraschend barrierefreie historische Stätten in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg vor.

Erfurt, das „Rom Thüringens“, beeindruckt seine Gäste mit einer der imposantesten Altstädte Deutschlands. Mittelalterliche Sakralbauten, enge Gassen und prächtige Fassaden aus Renaissance und Barock bilden ein einzigartiges Ensemble. Berühmt sind die Krämerbrücke, der Dom und die Severikirche. Ein besonders begehbares Highlight ist die majestätische Zitadelle Petersberg, die auf einem Hügel über der Innenstadt thront. Sie gehört zu den größten barocken Stadtfestungen Mitteleuropas und ist als einzige weitgehend erhalten geblieben. Über den Panoramaweg oder per Aufzug ist das Ensemble auch für Rollstuhlfahrer gut erreichbar. Im Besucherzentrum gibt die barrierefreie Dauerausstellung „Der Petersberg - eine spannende Zeitreise“ einen multimedialen Einblick in die faszinierende Geschichte der Festungsanlage.

Ebenfalls auf dem Petersberg befindet sich die ehemalige Klosterkirche St. Peter und Paul mit einer Ausstellung über Thüringens Gartenparadiese. Erhabene Ausblicke über die Stadt bieten sich bei einem Spaziergang auf dem 2023 fertig gestellten barrierefreien Bastionskronenweg, der einmal um die gesamte sternförmig angelegte Festung führt.

Auch an Martin Luther kommt der Erfurt-Besucher nicht vorbei. Im hiesigen Augustinerkloster legte der spätere Reformator am 17. Juni 1505 das Mönchsgelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ab. Im Zuge der Reformation wurde das Kloster aufgehoben. In seiner Vollständigkeit mit Kirche, drei umbauten Höfen, Konvents- und Wirtschaftsgebäuden ist das um 1300 entstandene Ensemble heute ein seltenes Beispiel mittelalterlicher Ordensarchitektur. Die Dauerausstellung „Bibel-Kloster-Luther“ erinnert an den Begründer der evangelischen Kirche. Auch die so genannte Lutherzelle" kann besichtigt werden. Seit 1988 dient das Kloster als ökumenisches Veranstaltungs- und Tagungszentrum, Luthergedenkstätte und Herberge für den Ökumenischen Pilgerweg.

Das Augustinerkloster ist für Rollstuhlfahrer, Geh- und Hörbehinderte barrierefrei zugänglich. Für Hörgeschädigte werden Führungen in Gebärdensprache angeboten. Eine Voranmeldung ist erforderlich.

Das Kunstmuseum Magdeburg im Kloster Unser Lieben Frauen ist ein kulturelles Kleinod im Herzen der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts. Auf reizvolle Weise verbindet das Museum zeitgenössische Kunst mit mittelalterlicher Architektur: Die Ausstellungsräume wurden direkt in die romanische Klosteranlage aus dem 11. Jahrhundert integriert und wirken so besonders eindrucksvoll auf den Besucher. Über Rampen und einen Aufzug sind Ausstellungen, Kreuzgang, Kirche und Café auch für Rollstuhlfahrer zugänglich.

Die Dauerausstellung umfasst die Sammlungen „Zeitgenössische Kunst“, „Kunst bis 1945“ und den Skulpturenpark. Die aktuelle Sonderausstellung „My Brother`s Cats“ zeigt noch bis zum 6. Oktober Fotografien des Ukrainers Sergiy Bratkov, die nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine entstanden sind.

Mit einem kostenlosen Multimedia-Guide kann das Museum interaktiv erkundet werden. Jeden Mittwoch findet ein kostenloser Kunstkurs für Kinder statt.

Rund 60 Kilometer nördlich von Berlin liegt das Ruppiner Seenland - ein Paradies für Wassersportler und Liebhaber ländlicher Idylle. Doch nicht nur das: Eingebettet in die abwechslungsreiche Landschaft mit über 300 Seen, mäandrierenden Flüssen und kleinen Kanälen erwarten den Besucher zahlreiche kulturelle Kleinode. Elegante Schlösser und verwunschene Klosteranlagen sind Zeugen der facettenreichen brandenburgisch-preußischen Geschichte. Auch das literarische Erbe Theodor Fontanes ist an vielen Orten erlebbar.

Inmitten des idyllischen Naturparks Stechlin-Ruppiner Land, direkt am Ufer des Wutzsees, liegt das Kloster Lindow. „Lindow ist so lieblich wie sein Name“, schrieb einst Fontane auf seinen Wanderungen durch Brandenburg über den heute staatlich anerkannten Erholungsort. Das 1230 gegründete Zisterzienserinnenkloster gehörte einst zu den reichsten Klöstern der Mark Brandenburg. Die Ruinen der Klosteranlage können auf barrierefreien Wegen erkundet werden. Gleich nebenan lädt der labyrinthartig angelegte „Garten des Buches“ zum Entdecken und Verweilen ein. Er enthält rund 70 verschiedene Pflanzen und Bäume, die in den heiligen Schriften der Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam erwähnt werden. Schautafeln erläutern die religiösen Bezüge.

Ein Besuchermagnet ist das 1651 erbaute Schloss Oranienburg mit seinem prächtigen Schlosspark. Die rollstuhlgerechte Anlage gehört zu den bedeutendsten Barockbauten der Mark Brandenburg und symbolisiert den Weg vom Kurfürstentum Brandenburg zum Königreich Preußen. Das Schlossmuseum beherbergt eine beeindruckende Sammlung einzigartiger Kunstwerke. Zu den Höhepunkten zählen die prunkvollen Etageren des Porzellankabinetts, die glanzvolle Silberkammer und die Gemäldesammlung mit Meisterwerken des flämischen Malers Anthonis van Dyck.

Mehr über die barrierefreien Angebote der drei Orte gibt es auf der Website der AG Leichter Reisen unter www.leichter-reisen.info/regionen.